Seife, Solidarität und ein starkes Signal: Der Amazonas zu Gast in Haltern

Von der Seifenproduktion zum Klimaschutz

„Aus Fett Seife machen“ – der Titel der Veranstaltung klang fast harmlos handwerklich. Doch was Schwester Elis dos Santos am Nikolaus-Wochenende im KönzgenHaus berichtete, war weit mehr als eine Anleitung zur Seifenproduktion. Auf Einladung des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat und lokalen Partnern spannte die Ordensfrau aus Manaus einen weiten Bogen: von der Zerstörung des Regenwaldes über das alte Heilwissen der Indigenen bis hin zu einem Wirtschaftsmodell, das Hoffnung macht.

Es war ein Tag der Kontraste und Verbindungen am Annaberg. Schwester Elis, selbst indigener Abstammung, nahm die Teilnehmenden mit in die Casa Amazônica in Manaus. Sie schilderte eindrücklich die Realität in den dortigen Armenvierteln, in denen viele Menschen stranden, die ihre Heimat im Wald verlassen mussten. Ihr Ansatz der „Solidarischen Ökonomie“ zielt deshalb darauf ab, diesen Menschen im urbanen Raum eine neue Perspektive zu geben. Dabei geht es um die Bewahrung und Nutzung indigener Traditionen: Ob Pflanzenanbau, Bildungsprojekte, traditionelle Heilkunst oder eben die Herstellung von Seife aus altem Speisefett – all das dient dazu, kulturelle Wurzeln zu stärken und ein würdiges Leben in der Stadt zu ermöglichen.

Perspektiven schaffen – in Manaus und Bergisch Gladbach

Dass dieses Prinzip der Solidarität keine Einbahnstraße ist, zeigte der Blick nach Deutschland. Richard Gorges von der Emmaus-Gemeinschaft in Bergisch Gladbach berichtete, wie dort durch Kreislaufwirtschaft – konkret das Upcycling von Möbeln – neue Lebensperspektiven entstehen. Besonders bewegend war der Bericht von Voltan: Der junge Mann, der einst von Abschiebung bedroht war, fand durch Emmaus eine Perspektive in Deutschland. Im KönzgenHaus schloss sich für ihn ein Kreis, als er gemeinsam mit Schwester Elis überlegte, wie sich die Seifenproduktion in Manaus weiterentwickeln lässt – ein direkter Austausch auf Augenhöhe.

Unterstützen, ohne abhängig zu machen

Bernd Kemper von der Brasilien-Cooperative Haltern verknüpfte diese Fäden. Die Cooperative unterstützt Emmaus-Gruppen im brasilianischen Salvador, wo ebenfalls Möbel-Basare und Upcycling eine zentrale Rolle spielen. „Wir sehen hier ähnliche Konzepte der Selbstfinanzierung und Wiederverwertung wie in Bergisch Gladbach“, so Kemper. Auf diese Weise gelinge genau das, was als Titel über dieser Einheit stand: „Unterstützen, ohne abhängig zu machen.“

„Wir haben die Wahl – sie sind gezwungen“

In einer „Fishbowl“-Diskussion verdichteten sich die Eindrücke zu einer politischen Botschaft. Pater Martin Maier SJ, Hauptgeschäftsführer von Adveniat, reflektierte gemeinsam mit Schwester Elis und den Teilnehmenden die globalen Zusammenhänge. Mit Bezug auf die Enzyklika Laudato Si von Papst Franziskus wurde deutlich, wie unsere globale Wirtschaftsweise oft Ausbeutung bedingt. Dabei wurde ein entscheidender Unterschied klar benannt: Während wir in Europa die Wahl haben, ob wir Verantwortung übernehmen (etwa durch ein Lieferkettengesetz), sind die Menschen am Amazonas oft gezwungen, ihren Lebensraum physisch zu verteidigen. Als Schwester Elis und Pater Maier von den Schicksalen bedrohter Aktivisten berichteten, die unter Gewalt leiden, ließ dies im Saal niemanden kalt.

Ein Generationen-Projekt

Dennoch endete der Tag nicht in Resignation, sondern im Aufbruch. In einer „Galerie der Begegnung“ vernetzten sich verschiedene Brasilien-Partnerschaftsgruppen. Hier traf 40-jähriges Engagement auf ganz frische Initiativen wie die erst drei Jahre alte Casa Amazônica. Generationen verzahnten sich mit dem klaren Signal: Wir machen weiter. Die Botschaft des Tages war unmissverständlich: Wir müssen etwas tun – und wir können etwas tun.